Urlaub tut gut, aber nach ein paar Tagen juckt's dann doch wieder in den Fingern. Gern ließ ich mich von unserer Dispatcherin Nagy zu einem kurzen Flug überreden.
„Hier sind Leute, die nach Camp am Patterson Gletscher müsse”, plärrte ihr asiatischer Akzent aus dem Hörer.
„Okay, mach einen Haken dran. Ich bin in einer halben Stunde bei Euch.”
Auf dem Weg zum Flugplatz hätte ich mich schon wieder treten können. Ein paar Tage nicht geflogen und dann gleich in die Berge.
Der Blick zum Himmel war über die Jahre zum Reflex geworden. Hoffentlich hält das Wetter.
Auf dem Apron vor unserem Bürocontainer nahm mich Nagy auch gleich in Empfang. Etwas abseits standen sieben Männer um ein paar Kisten und Rucksäcke herum.
„Schön, dass Du so schnell gekommen bist. Das sind die Leute. Sie wollen am Camp ein Winterfest machen”, Nagy strahlte mit der Sonne um die Wette. „Auf dem Rückflug hast Du auch Passagiere. Du fliegst mit der Porter.”
Ob ihr beständiges Lächeln nun
"schade, dass Du nicht eingeladen bist" oder
"Wehe, Du kommst besoffen zurück" bedeuten sollte, musste ich noch ergründen.
Die Männer, die uns gehört hatten, kniffen die Lippen zusammen und sahen in eine andere Richtung. Acht Augenpaare folgten unserer Dispatcherin auf dem Weg zum Büro.
Ich wandte mich den Männern zu.
„Sie lebt noch nicht lang hier, hä?” fragte einer, der sich mir mit dem Namen Ben vorstellte.
„Nicht wirklich”, erwiderte ich knapp. „Ist das Euer Zeug?”
Er antwortete mit einem stillen Nicken.
„Wie lange bleibt ihr da oben?”
„Hoffentlich nur eine Woche.”
„Proviant?”
„Für zwei Wochen. Wir kennen die Gepflogenheiten.”
Ich nickte anerkennend. Wenn wir wegen des Wetters nicht fliegen können, wird der Aufenthalt in den Bergen schnell zur unfreiwilligen Abmagerungskur.
Nach meinem Walkaround beluden wir die Porter. Ich tankte für Hin- und Rückweg.
„So so. Ihr fliegt also zum Saufen in die Berge?” fragte ich augenzwinkernd auf dem Weg zur Startbahn.
Ben, der neben mir Platz genommen hatte, lachte laut auf und auch der Rest der Truppe stieg voll darauf ab.
„Ganz sicher”, sagte er und drehte sich zu seinen Kollegen. „Für eine Party kenne ich bessere Gegenden.”
Seine Kollegen nickten zustimmend. Der Vorarbeiter klärte mich auf: „Die Forscher sind da oben fertig und wir sollen das Camp winterfest machen.”
Am Flugplatz war heute wenig Betrieb, es gingen nur ein paar Air Taxis zu den Nachbargemeinden.
Die Touristen sind längst wieder weg und man ist in Petersburg unter sich. Dementsprechend zügig waren wir in der Luft.
Während des Fluges verloren die Handwerker kaum ein Wort und erfreuten sich an der guten Sicht an diesem Tag im Herbst. Wir überquerten den Frederick Sound und nach wenigen Minuten lag der Patterson Gletscher vor uns.
Das SIRP-Camp liegt auf 4700 ft AMSL, also stieg ich auf komfortable 5500 ft. Der Nordwind drückte die Porter dezent aus der Richtung.
Nun kam der etwas kniffligere Teil. Die Piste endet oder beginnt - je nach Standpunkt - am Abgrund. Ergo muss der Anflug spätestens beim zweiten Mal sitzen, sonst wird man selber nervös.
Die Treibstoffwarnung "motiviert" ebenfalls, aber der Sprit reicht für Abbruch und Rückflug. Bei der kleinsten Unstimmigkeit am Flugzeug setzt man erst gar nicht auf oder nagelt voll in die Felswand.
Das Ladegeschäft dauerte wegen der zahlreichen Hände und meiner großen Klappe nur gut 15 Minuten. Dann war ich wieder auf dem Rückweg. Die Forscher hörten beim Beladen nicht auf mit der Schlepperei und hätten gern noch mehr Zeug mitgenommen. An Bord war auch einer der Verantwortlichen.
„Welches Wahnsinnsprodukt hat eigentlich diese Piste geplant?”
Er sah mich nur an und zuckte wortlos mit den Schultern.
„Na dann beten Sie mal, dass wir jetzt nicht zu schwer sind und die Turbine keine Zicken macht.”
Ich fluchte noch etwas vor mich hin, schob den Leistungshebel nach vorn und wir näherten uns dem Abgrund. In mich grinsend sah ich aus dem Augenwinkel, dass der Herr neben mir in seinem Sitz immer länger wurde.
Wie immer konnte ich mich auf das Schweizer Uhrwerk verlassen und ich sinnierte, ob ein Hubschrauber hier nicht die bessere Wahl wäre.
Bald waren wir im Anflug auf Petersburg.
„Gott sei Dank sind wir runter vom Gletscher. Mann, was freue ich mich auf ein saftiges Steak”, jauchzte einer der Passagiere.
„Und ich mich auf ein richtiges Bett ... und ich werde zwei Stunden lang unter der Dusche bleiben”, sekundierte ein Anderer.